Connection is key. – PART 1: The Story
Wer will was von wem? Der Held, sein Problem und die Plot Points. Oder "Warum scheitern Geschichten im 2. Akt?"
Wenn eine Geschichte nicht funktioniert, liegt das schlicht daran, dass sie dem Autor noch nicht klar genug ist.
Martin Thau von der HFF München hat für seine Studenten drei Fragen formuliert, die man klar beantworten können sollte, wenn man wirklich weiß, was man erzählen will:
– Wer will was von wem?
– Warum gerade jetzt?
– Was passiert, wenn er’s nicht bekommt?
Ich möchte euch in dieser Serie nahe bringen, was sich hinter diesen Fragen versteckt.
Wer will was von wem?
Der Weg des Helden, oder: Warum scheitern Geschichten im 2. Akt?
In spannenden Geschichten geht es immer um Erfolg oder Scheitern:
Bekommt der Held was er will, oder nicht? Das ist die wichtigste dramaturgische Frage für den Spannungsbogen einer Geschichte. Damit man diese Frage eindeutig beantworten kann, muss man also das Ziel des Helden klar und eindeutig benennen können. Und dafür ist es nicht nur notwendig den Helden gut zu kennen und zu wissen, was er denn will, sondern auch von wem genau er es will.
Denn Von wem? ist vor allem auch die Frage nach dem eigentlichen Ziel des Helden: Nämlich Bedeutung zu finden & Kontakt herzustellen.
Der Mensch ist ein sozial veranlagtes Wesen. Ein Held kann überhaupt nichts wollen, ohne dadurch (unterbewusst) eine Bestätigung seiner Selbst in einer Beziehung zu suchen. Er sucht Freundschaft, Liebe, Respekt, Bewunderung. Oder auch negativer ausgeprägt: Macht, Rache, Dominanz oder Feindschaft. In 99% der Fälle will der Held, was er will, also eigentlich um eine Beziehung zu ändern oder herzustellen.
Was will der Held? Erfolg. Warum? Weil er bewundert werden will. Von wem?
Erst wenn man weiß, von wem der Held will, was er will, weiß man auch an wem und woran er scheitern kann. Erst ein Gegenspieler schafft einen eindeutigen Bezugspunkt, an dem sich ablesen lässt, ob der Held bekommen hat, was er wollte oder eben doch nicht. Ohne Gegenspieler könnte der Held also weder verlieren noch gewinnen. Er definiert den Weg des Helden und somit auch die Hindernisse, die dieser überwinden muss. Das heißt: Erst die zentrale Beziehung der Geschichte steckt das eigentliche Problem ab, dass der Held lösen muss.
Und erst dadurch kann die Spannung von Anfang bis Ende über den 2. Akt hinaus gehalten werden. Denn obwohl die klassische Filmdramaturgie eine Geschichte an den beiden Plot Points grob in 3 Akte teilt, bleibt jede Geschichte eine zusammenhängende narrative Einheit. Das heißt: Kein Hindernis, keine Szene und kein Akt kann unabhängig vom Rest der Geschichte konstruiert werden.
Wenn man den großen Spannungsbogen aus den Augen verliert, stellt man seinem Helden nur Schein-Hindernisse in den Weg. Diese halten ihn zwar auf, haben aber nicht wirklich was mit seinem Problem zu tun. Der 2. Akt verkommt dann zu einem Hindernis-Parkour und das Publikum langweilt sich: Es spürt, dass der Held weder wirklich scheitern noch eine glaubhafte Lösung für sein Problem finden kann.
Um das zu vermeiden, müssen alle Hindernisse notwendig für den Helden sein. Sie müssen auf seinem Weg liegen. Das heißt jedes Hindernis muss etwas mit der zentralen Beziehung zwischen Held und Gegenspieler zu tun haben: Denn wenn der Held ein Hindernis nicht überwindet, um näher an sein eigentliches Ziel (die Beziehung mit seinem Gegenspieler) zu kommen, dann hat es nichts mit seinem Problem und dieser Geschichte zu tun.
Die Geschichte ist erst aus, wenn das Ziel erreicht ist; oder unerreichbar geworden ist, obwohl der Held alles gegeben hat. Und auch dieser Endpunkt der Geschichte kann nur durch Erfolg oder Scheitern der zentralen Beziehung eindeutig erzählt werden.
Und deswegen bekommen auch die beiden Plot Points, die die Akte zusammenhalten, erst dann eine echte Bedeutung, wenn sie eine Funktion für die zentrale Beziehung der Geschichte erfüllen:
- Plot Point 1 am Anfang des 2. Akts, ist der Punkt, an dem der Held unwiderruflich in Konflikt mit seinem Gegenspieler tritt, wo also endgültig definiert wird von wem der Held, will was er will. Das Ziel ist klar. Die Spannung gesetzt. Und es gibt kein Zurück mehr. (Deshalb auch oft Lock-In genannt.)
- Plot Point 2, oder auch der Darkest Moment am Ende des 2. Akts, ist der Punkt, an dem der Held nichts mehr zurückhält d.h. alles gegeben hat, um die Beziehung mit seinem Gegenspieler zu ändern, und trotzdem scheitert. Hier zeigt sich, was der Held für die Beziehung riskiert, also auch was sie ihm bedeutet. Und auch dass er wirklich scheitern kann. Ohne dieses Scheitern würde der Erfolg der Beziehung später nichts wert sein, da scheinbar nie echte Gefahr gedroht hat: Wenn man nicht verlieren kann, macht es keinen Spaß zu gewinnen.
Die beiden Plot Points sind also keine mechanischen Wendepunkte sondern organische Gelenke, die von der zentralen Beziehung des Helden abhängen. Eine Geschichte ist eben eine zusammenhängende narrative Einheit mit einem Anfang und einem Ende. Und wo das Ende ist, weiß man erst, wenn man genau weiß: Wer eigentlich wirklich was von wem will?
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Connection is key. Jede Geschichte ist Scheitern oder Erfolg einer Beziehung. Wenn man eine Geschichte nicht als zusammenhängende narrative Einheit betrachtet, sondern versucht die Akte einzeln zu konstruieren, kann sich keine dramaturgische Spannung aufbauen. Es geht um ein einziges Problem, das der Held lösen will. Und alle Hindernisse müssen mit ihm und seinem Problem zu tun haben. Sie müssen ihm seinen Weg versperren. Und dieser Weg wird nur durch die Beziehung, um die es geht, eindeutig definiert. Keine Geschichte ohne Held und kein Held ohne Beziehung.